Die verkaufte Stadt, oder: Meine Gedanken zu Olympia

Vorweg: Ich freue mich auf die olympischen Spiele und meine Vorfreude steigt sogar von Tag zu Tag. Einer der ausschlaggebenden Gruende letztes Jahr nicht zurueck nach Deutschland zu gehen  (Heute bin ich uebrigens exakt 5 Jahre hier) war das ich diese Spiele hier erleben wollte. Olympische Spiele so hautnah zu erleben ist glaub ich schon was besonderes, ich wuerde aber wohl nie extra nur fuer die Spiele irgendwo hinfahren. Je naeher sie kommen desto mehr muss man sich aber fragen ob hier wirklich noch der Sport im Vordergrund steht oder nur das Ego und das Bankkonto einiger weniger.

Es gibt hier in London genug Leute die von Anfang gegen die Spiele waren (“zu teuer”), zu denen gehoere ich nicht auch wenn auch ich in den letzten Jahren eine erhoehte Council Tax bezahlt habe um fuer all die Infrastrukturmassnahmen hier in London zu zahlen. Und was aus Stratford (dem Stadtteil in dem der Olympiapark ist)  geworden ist, ist zumindest entlang den Hauptstrassen, teilweise beindruckend. Es gibt aber eben auch Gebiete in denen sich nichts getan hat wo aber trotzdem die Mietpreise steigen und alteingessessene Bewohner somit aus diesem Stadtteil gedraengt werden. Mancher Vermieter hat gehofft seine Wohnung fuer die zwei Wochen Olympia (plus evtl. Paralympics) zu horrenden Preisen vermieten zu koennen und seine eigentlichen Mieter rausgeworfen. Wer mit den oeffentlichen Verkehrsmitteln in Stratford ankommt (immerhin fahren da jetzt fuenf Linien hin) muss aber erstmal durch ein Einkaufszentrum das strategisch guenstig zwischen Bahnhof und Olympiagelaende gebaut wurde. Und wer ganz genau hinguckt sieht auch die grossen “Kunst”werke die in Wirklichkeit wohl Hauptsaechlich den Blick aufs alte (haessliche) Stratford verbauen sollen.

Man betont immer wieder wieviel Muehe man sich gegeben hat die Spiele Nachhaltig zu gestalten. Die Sportstaetten sind zum groessten Teil temporaer und werden nach den Spielen entweder wieder abgebaut (Basketballarena, Hockey- aber auch das Olympiastadion) oder verkleinert (Schwimmstadion) und das Olympische Dorf soll in bezahlbare Mietwohnungen umgewandelt werden, etwas das hier in London wirklich knapp ist (ob dann allerdings wirklich die alten Bewohner des Stadtteils zurueckkommen bleibt mehr als fraglich)

Aber es ist eben nicht alles Gold was glaenzt: London ist sowieso schon eine Stadt in der man sich nicht fragt “ob”, sondern “wann” der naechste terroristische Anschlag kommt und als Londoner lernt man damit zu leben. Waehrend der normale Polizist auf der Strasse (fuer deutsche Verhaeltnisse ungewohnt) unbewaffnet ist sieht man auf Bahnhoefen und Flughaefen schon lange Polizisten mit Maschinenpistolen und Finger am Abzug patroullieren. Das ist jetzt natuerlich alles noch weiter aufgestockt worden und man liest ja auch ueberall von den Boden-Luft Raketen die in London stationiert wurden und ueberhaupt sieht man viel mehr Uniformierte in der Stadt. Gibt mir das ein groesseres Gefuehl der Sicherheit? Nein. Wirkt es eher (ver-)stoerend? ja.

Was mir wirklich auf die Nerven geht ist wie sich das Olympische Komitee hier aufspielt und den Leuten Vorschriften aufdraengt die einfach nur unverschaemt sind und Preise kuenstlich in die Hoehe treibt.

Das faengt damit an das man V*SA als einen Hauptsponsor hat und somit als einziges Zahlungsmittel zum Ticketkauf und spaeter auch auf dem Olympiagelaende nur Karten dieses Unternehmens (und Bargeld) einsetzen kann. Andere Hauptsponsoren sind der unvermeidbare Zuckerwasserhersteller und der Burgerbraeter, geht es unsportlicher? Dann hat man der Stadt in der die Strassen eh schon chronisch ueberfuellt sind offensichtlich auferlegt besondere “Olympic Lanes” zu schaffen auf denen die Funktionaere, Sportler und Busse der Sponsoren(!) schneller zu den Sportstaetten die uebers Stadtgebiet verteilt sind kommen sollen. Das Problem daran ist, dass das bereits in Kraft getreten ist und man jetzt Kilometerlange Staus hat waehrend die Olympic Lanes 80% der Zeit leer sind und an mancher Stelle durch Busspuren noch weitere Engstellen vorhanden sind. Nichmal Radfahrer duerfen die Olympic Lanes benutzen! Die Londoner haben die Fahrspuren inzwischen “ZIL-Lanes” (in Anlehnung an Funktionaeren vorbehaltene Strassen in Moskau) getauft.

Wenn wir schon bei Sponsoren und lustigen Namen sind: London hat seit neuestem eine Seilbahn ueber die Themse. Gebraucht wird die eigentlich nicht, sie faehrt irgendwo im Nirgendwo (verbindet allerdings zwei Olympiastaetten), ist voellig ueberteuert und mit der Ubahn kommt man schneller von einer Seite der Themse zur anderen. Angeblich sollte sie voellig Kostenneutral aufgestellt werden (hat natuerlich nicht geklappt und jetzt braucht man wohl doch Steuergelder), wofuer u.a. die Namensrechte verkauft wurden und der Sponsor jetzt 4 mal auf jeder Tube-map genannt wird. Die Londoner haben der Seilbahn nun den Namen “Arabfly Dangleway” (Dangleway soll wohl sowas wie “Baumel-Weg” heissen) gegeben 🙂

Geht es hier noch um Sport oder eigentlich nur um den Profit des IOC?

Die olympischen Spiele wurden und werden ja auch immer als grosser Gewinn fuer die Stadt verkauft. Dank hoher Hotelpreise (teilweise durch kuenstlich erzeugte Knappheit indem der Veranstalter grosse Kontingente gebucht und dann erst kurzfristig wieder freigegeben hat) und einem generellen Preisanstieg verbunden mit dem fortbleiben der “normalen” Touristen – es ist ja nicht so, dass Gaestezahlen in Millionenhoehe fuer London neu waeren – wird aber wohl die Hoffnung vieler Hoteliers und Restaurantbesitzer unerfuellt bleiben. Sie werden wohl eher schlechter dastehen als in den letzten Jahren, weil andere Touristen wegbleiben und die die kommen schon soviel in Tickets investiert haben, dass sie jetzt wohl eher ein Sandwich kaufen als Abends Essen zu gehen. Jacques Rogge und Konsorten werden aber mit gefuellten Taschen nach Hause gehen und was nach dem 9. September mit der Stadt und den Sportstaetten passiert kann Ihnen ja auch egal sein.

Bleibt zu hoffen, dass wenigstens das Sicherheitskonzept aufgeht und uns zumindest die ganz grosse Katastrophe erspart bleibt…

other Random thoughts:

1. Ein besonderer Schlag ins Gesicht der Englaender ist uebrigens bestimmt, dass Englisch nicht die alleinige offizielle Olympische Sprache ist und im Olympischen Dorf alles auf Englisch und Franzoesisch ausgeschildert ist.

2. Ich warte dann mal darauf was die deutschen Medien so an englischen Spleens und Besonderheiten ausgraben und berichten und sich ueber vermeintliches scheitern (z.B. U-Bahn Ausfaelle und Verspaetungen) und das englische Essen (geht schon los) lustig macht.

3. Den Preis fuer die haesslichsten Maskottchen hat man wohl auf jeden Fall schon gewonnen: Wenlock und Mandeville , die generelle Visual Identity der Spiele mit dem Scherenschnitt gefaellt mir aber und Pink faellt auf jeden Fall auf (nein, die Telekom ist kein Sponsor).

4. Es gibt die U-Bahn Station “Kensington Olympia” die aber nichts mit den Spielen zu tun hat. Wieviele Touristen verfahren sich da wohl?

5. Mit der Oystercard hat man eigentlich ein ziemlich modernes Zahlungssystem fuer den OPNV, allerdings hat man den Tickets Papierkarten beigelegt. Das wird zu massiven Trauben an der Station in Stratford fuehren.

6. Hier wird ernsthaft dazu geraten doch nach der Arbeit noch in den Pub zu gehen um die Stosszeiten der U-Bahn zu entzerren. Nette Idee und die Entzugskliniken kriegen nach Olympia auch noch was zu tun.

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